1.1 - Gründung der KAB Baumberg

Die Zeit um die Mitte des 19. Jh. bis zur Jahrhundertwende, wird angeregt und aufgefordert durch Zeitumstände, insbesondere aber durch die Enzyklika "rerum novarum" (das päpstliche Rundschreiben "der neuen Dinge") mit der sich Papst Leo XIII. am 15. Mai 1891 an die christliche Welt richtete, die Zeit der Zusammenschlüsse kath. Arbeiter zu religiösen, sozialen und sozialpolitischen Zwecken.
Verbreitung und Vertiefung des Sozialismus waren die Ziele von Marx (1818-1883) und Engels (1820-1895). In Wort und Schrift wandten sie sich an die Arbeiterschaft. Während Marx auf wissenschaftlicher Grundlage für die sozialistische Bewegung arbeitete, stand die Arbeit von Engels im gleichen Maße in Theorie wie in der Praxis im Dienst der sozialistischen Bewegung. Seine Stellung als Sekretär der „Internationalen Arbeiterassoziation“, die er seit 1870 bekleidete, unterstützte ihn bei der Arbeit für den internationalen Sozialismus.
Das "Kommunistische Manifest" und das „Kapital“ waren erschienen. Aber noch immer hielt sich die kath. Arbeiterschaft mit Zusammenschlüssen als Gegenpol zur sozialistischen Bewegung zurück.
Der Erfolg der 1863 gegründeten sozialistischen Arbeiterorganisationen macht deutlich, dass mangelndes Bewusstsein der katholischen Arbeiter und die fehlende Einsicht des Klerus die Hemmnisse für die frühzeitige Entwicklung einer geschlossenen kath. Arbeiterbewegung bildeten.
Die entscheidende Phase für die Bildung kath. Arbeitervereine begann mit der Gründung des patriarchalisch geprägten Verbandes "Arbeiterwohl" im Jahr 1880. Die hier zusammengeschlossenen Unternehmer und Politiker, an deren Spitze der sozialpolitisch besonders engagierte Mönchengladbacher Fabrikant Franz Brandts stand, brachen mit der weitgehend antiindustriellen und antimodernen Kapitalismuskritik im katholischen Lager, akzeptierten grundsätzlich ein marktwirtschaftliches System und öffneten sich damit der modernen Industriegesellschaft. Der unmittelbare Zweck der Organisationsgründung war die Sammlung der "zerstreuten Glieder der katholischen sozialen Tätigkeit zu einem organisatorischem Verbande", die Förderung sozialer Maßnahmen zu Gunsten der Arbeiter und die Abwehr sozialistischer Bestrebungen. Diese waren durch das Sozialistengesetz vom 30.7.1878 keineswegs ausgeschaltet, bedienten sich vielmehr neuer, weniger angreifbarer Propagandamethoden.
Die Christlich-Soziale Bewegung, deren Gründer auf kath. Seite Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler (1811-1877) und Adolf Kolping (1813-1865) waren, wollte einen Beitrag zur Lösung der sozialen Frage leisten. Kirchenamtlich erhielt die Bewegung ihr Programm durch Leo XIII., später durch Pius XI. (Enzyklika „quadragesimo anno“ am 15.8.1931) und Johannes XXIII.
Sowohl von Ketteler als auch Kolping, insbesondere aber von Ketteler, formulierten Forderungen für die Arbeiterschaft wie sie von Seiten der Kirche noch nicht der Öffentlichkeit bekannt gemacht worden sind.
Auch Franz Hitze (1851-1921) war als Zentrumspolitiker und als Professor für christliche Gesellschaftslehre in Münster zu seiner Zeit der maßgebende Berater der deutschen katholischen Sozialpolitik.
Landflucht und Verstädterung waren eine weltweite Erscheinung des Industriezeitalters. Das Anwachsen der Großstädte vollzog sich besonders zwischen 1870 und Beginn des 1. Weltkriegs. Soziale und biologische Probleme traten in vielseitiger Form auf.
Obwohl das katholisch-soziale Vereinswesen noch in seinen Anfängen steckte, schlossen sich bestimmte Berufsgruppen zusammen. Kolping gründete 1849 in Köln und Düsseldorf die Gesellenvereine. Der 1890 gegründete „Volksverein für das kath. Deutschland“ sah seine Hauptaufgabe unter seinem Generalsekretär Franz Hitze in der Erwachsenenbildung innerhalb der Arbeiterschaft. Schultze-Delitzsch (1808-1883) gründete die Konsum- und Kreditvereine.
"Ungelernte" Fabrikarbeiter, die in der Mehrzahl aus der Massenabwanderung ländlicher Arbeitskräfte in die industrielle Arbeit stammten (nachgeborene Bauernsöhne, Söhne von Handwerkern und Landarbeitern u.a.), fühlten sich sehr bald als ein besonderer Stand. Ihnen drohte vielfach das soziale "Aus".
Bischof von Ketteler fasste 1864 in der Schrift: "Die Arbeiterfrage und das Christentum" seine Vorstellungen von christlicher Sozialpolitik zusammen. Hier lautete das Schlusswort: "Ihr sehet daraus, daß ihr auch als Katholiken euch den Bestrebungen und Bewegungen im Arbeitsstande ohne Verletzung der Grundsätze eurer Religion in großem Umfange anschließen dürfet. Ihr sehet aber auch zugleich, daß alle diese Bestrebungen eitel und vergeblich sind, wenn nicht Religion und Sittlichkeit ihre Grundlage bilden."

Ein erheblicher Druck wurde auch von der kath. Kirche in Deutschland genommen, als von 1881 – 1887 der Kulturkampf zu Ende ging. Bismarck hatte den Kampf gegen die kath. Kirche aufgegeben und lenkte ein. Gesetze, die sich gegen die Kirche richteten, wurden zurückgenommen bzw. gelockert. Mut und Wille zum Zusammenschluss wuchs wieder in der katholischen Arbeiterschaft. 1898 konnten sich die kath. Arbeitervereine zum Verband in der Erzdiözese Köln zusammenschließen. Vierzehn Jahre nach dem Zusammenschluss der katholischen Arbeitervereine Süddeutschlands erfolgte auf dem ersten Verbandstag der katholischen Arbeitervereine Westdeutschlands am 10. September 1904 in Düsseldorf unter dem Vorsitz des damaligen Verbandspräses Dr. A. Pieper der Zusammenschluss der katholischen Arbeitervereine der Diözesen Köln, Münster, Paderborn, Limburg,Hildesheim und Fulda zu einem gemeinsamen Zentralverband. Ein neuer Zeitabschnitt für die katholische Sozialpolitik begann. In der Nachbarschaft Baumberg’s gab es z.B. Vereins-Neugründungen in: Richrath 25.3.1892, Benrath 5.8.1888, Reusrath 1906, Monheim 10.6.1912, usw.

Aus dieser gefestigten und gestärkten Grundhaltung heraus entschloss man sich auch in Baumberg zur Gründung des schon eingangs angesprochenen "Verein kath. Arbeiter und Handwerker zu Baumberg". 91 Personen meldeten sich zur Aufnahme in den neuen Verein. Dies geschah am 18. Dezember 1904.

Die praktische Anwendung der kath. Soziallehre war die Aufgabe des neu gegründeten "Vereins für kath. Arbeiter und Handwerker". Ziele und Aufgaben wurden in den Vereinsstatuten festgehalten.

(von Theo Hunke)

Quellen:
Aretz, Jürgen: "Katholische Arbeiterbewegung und Nationalsozialismus"
Iserloh, Erwin / Stoll, Christoph: "Bischof Ketteler in seinen Schriften"
Pätzold, Michael: "Katholische Vereine und Nationalsozialismus im Jahr 1933"

Mitgliederwerbung03.jpg